Dr. Sophie Chung (Qunomedical)


Auszug Lebenslauf

Seit 2016: CEO und Gründerin von Qunomedical

2013-2015: Director Healthcare Strategy bei ZocDoc

2008-2013: Unternehmensberaterin bei
McKinsey & Company

2002-2008: Studium Humanmedizin
(Medizinische Universität Wien)


Sophie, wie kam es dazu, dass du als Medizinerin in die Wirtschaft gewechselt bist?

Tatsächlich wollte ich immer Medizinerin werden und in diesem Berufsfeld bleiben. Aber wie das Leben so spielt, ändern sich die Pläne. Während meines Studiums an der Medizinischen Universität Wien hatte ich ursprünglich die Absicht, mich auf interventionelle Kardiologie zu spezialisieren. Leider gab es an der Uniklinik Wien Wartezeiten von 1-2 Jahren für diese Spezialisierung. In dieser Zeit begann ich, mich für alternative Wege zu interessieren. Ich fragte mich, ob ich weiterhin in der Forschung arbeiten oder etwas Neues beginnen sollte. Das führte mich zur Unternehmensberatung bei McKinsey, wo ich fast fünf Jahre verbrachte, bevor ich mich dem Thema Digitalisierung und der Gründung von qunomedical.com widmete.

Wenn du deine Tätigkeiten in der Wirtschaft mit der Arbeit als Ärztin vergleichst — welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es?

Es gibt erstaunlich viele Gemeinsamkeiten zwischen meiner aktuellen Tätigkeit und meiner früheren Arbeit als Ärztin. In beiden Berufen ist analytisches Denken von entscheidender Bedeutung. Als Ärztin musste ich schnelle Entscheidungen treffen, insbesondere in Notfällen, und dies erforderte eine hypothesenbasierte Herangehensweise. Ärzte sind darin geschult, auch bei begrenzten Informationen fundierte Entscheidungen zu treffen, und dieser Ansatz hat mir auch in der Wirtschaft geholfen.

Der menschliche Aspekt ist mir ebenfalls sehr wichtig. Als Arzt habe ich gelernt, einfühlsam auf die Bedürfnisse meiner Patienten einzugehen, weil das einen entscheidenden Unterschied im Behandlungserfolg ausmacht. Mit meinem Unternehmen Qunomedical verfolge ich deshalb die Vision, mehr Menschlichkeit in das Gesundheitssystem zu bringen. Und diese Fähigkeit ist auch in der Wirtschaft von unschätzbarem Wert. Egal, ob wir ein Technologieprodukt entwickeln oder mit Kunden interagieren, im Zentrum steht immer der Mensch..

Natürlich gibt es auch Unterschiede. In der Medizin können Entscheidungen Leben und Tod bedeuten, während in der Wirtschaft die Konsequenzen in der Regel weniger gravierend sind, aber dennoch ernst genommen werden müssen. Das Ökosystem ist anders: In der Wirtschaft konkurrieren Unternehmen auf einem freien Markt, während im Gesundheitswesen die Beziehung zwischen Arzt und Patient eine andere Dynamik hat.

Ist aus deiner Sicht eine betriebswirtschaftliche Zusatzausbildung notwendig, um in der Wirtschaft als Medizinerin Fuß fassen zu können?

Ja, eine betriebswirtschaftliche Zusatzausbildung ist notwendig, aber das bedeutet nicht unbedingt ein BWL-Studium. Es geht vielmehr darum, die Grundlagen wirtschaftlicher Zusammenhänge zu verstehen, wie zum Beispiel das Verstehen von Gewinn- und Verlustrechnungen sowie rechtliche Grundlagen wie Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht. Diese Grundlagen habe ich während meiner Zeit bei McKinsey erworben.

Betriebswirtschaft ist logisch und verständlich, und es ist nicht notwendig, ein Vollzeitstudium zu absolvieren. Mediziner sollten sich bewusst sein, dass sie bereits über eine solide Grundlage verfügen und diese Kenntnisse in der Wirtschaft anwenden können.

Was rätst du Medizinern und Medizinerinnen, die über einen Einstieg in die Wirtschaft nachdenken?

Mediziner haben in Wirtschaftsunternehmen, wie zum Beispiel Unternehmensberatungen, eine gute Ausgangsposition. Unternehmen schätzen ihre tiefgehenden Fachkenntnisse und analytischen Fähigkeiten. Mein Rat ist, sich um Praktika zu bemühen und die Gelegenheit zu nutzen, sich in dieser Branche zu beweisen. Mediziner können, nach Möglichkeit, auch während ihres Studiums ihre Fähigkeiten erweitern, sei es durch Kurse in Bereichen wie KI, Programmierung oder Datenanalyse. Diese Fähigkeiten sind in der heutigen Wirtschaft sehr gefragt und können den Einstieg erleichtern.

Internationale Erfahrungen sind, meiner Erfahrung nach, ebenfalls wertvoll. Forschungsaufenthalte im Ausland oder Praktika in anderen Ländern können den Horizont erweitern und das berufliche Netzwerk stärken. Letztendlich ist der Weg in die Unternehmensberatung für Mediziner eine lohnende Möglichkeit, ihre Fähigkeiten vielseitig einzusetzen und eine erfolgreiche Karriere außerhalb der Klinik zu verfolgen.

Stefan Schmidt